Alles Gute kommt von oben?
schlaglichter.at 21.8.2018 (LINK)
Sie sind vielerorts mittlerweile fast zu einem integralen Bestandteil des urbanen Luftraums geworden. Diese durchaus praktischen und leicht verfügbaren, fernsteuerbaren Fluggeräte sammeln bzw. analysieren Daten oder machen Luftbildaufnahmen. Selbst im Paketzustellungsbereich überlegen marktführende Zustelldienste sukzessive im großen Stil auf diese kostengünstige und verkehrsunabhängige Lieferalternative umzustellen. Nicht minder im Sicherheitsbereich haben sich die funktionalen unbemannten Flugobjekte mittlerweile aufgrund ihres breiten Einsatzportfolios als erstklassige Überwachungstools etabliert. Zugleich sind sie aber, sieht man von den zahlreichen legalen nutzenbringenden Einsatzmöglichkeiten ab, zu einem veritablen Sicherheitsrisiko geworden. Die Rede ist, wie nur unschwer zu erraten ist, von Drohnen.
Ihre Schnelligkeit und spontane Einsatzbereitschaft, auch die steigende Zuverlässigkeit und Präzision, aber vor allem ihre zunehmende Erschwinglichkeit (brauchbare Alltagsgeräte liegen bei ca. 300 Euro; Medium-Range Geräte sind bereits um 1.500 Euro zu erwerben) haben Drohnen zu einem multifunktionalen und anwenderfreundlichen Tool werden lassen. Auch ist es ihnen gelungen, gerade durch ihre Zuverlässigkeit und phänomenale (Signal-)Reichweite (marktüblich sind mittlerweile rund 1000m), altherkömmliche Fluggeräte wie Modellflugzeuge für die angesprochenen Zwecke obsolet werden zu lassen. Einige der unbemannten (Klein-)Flugobjekte können sogar bis zu 25 Minuten in der Luft bleiben.
Doch bedauerlicherweise, abgesehen vom technischen Risiko eines Absturzes etwa auf eine Menschenansammlung, steht die Gefahr des Missbrauchs stets evident im Raum. Denn die bereits skizzierten Vorteile der vielseitig einsetzbaren Gerätschaft haben sich längst auch in kriminellen Kreisen herumgesprochen. So ist es beispielweise nicht mehr allzu schwierig, relativ unbemerkt in (Sicherheits-)Bereiche vorzudringen und mittels Sensoren und Kameras zu spionieren bzw. bestehende Sicherheitsmaßnahmen auszuloten. Neben Industriespionage ist der Schmuggel von Drogen, Handys und Waffen per Drohne in Gefängnisse ein relevantes Thema geworden. Zudem ist es mit geringem Aufwand möglich, den Flugverkehr an Flughäfen erheblich zu stören.
Dem Militär ist dieser Umstand bereits seit langem bewusst und ein Dorn im Auge. Nachdem man im Bereich der militärischen Sicherheit (Schutz kritischer Infrastruktur, militärischer Rechtsgüter) mittlerweile auf diese Bedrohung mit einem straffen Gegenmaßnahmenkatalog reagiert hat, scheint sich nunmehr auch die »zivile Welt« langsam dieser Herausforderung zu stellen, insbesondere, um Flugverbotszonen abzusichern. Wie kann das erfolgen? Einerseits besteht die technische Möglichkeit, das Funksignal zu stören (jammen im Fachjargon), andererseits kann man sich bei der Abwehr eines Fangnetzes behelfen oder als ultima ratio, die Drohne ganz simpel gezielt »abschießen«. All dies unter dem Gesichtspunkt, dass eine unerlaubt in eine Flugverbotszone eindringende Drohne, sobald außer Kontrolle, wie eine unguided missile auf sensible Gerätschaften oder gar Menschen prallen bzw. abstürzen kann.
Wie ist eine Drohne, die etwa bei einem Konzert Filmaufnahmen macht vom Radar stets akkurat und zeitgerecht von einer »illegalen« zu unterscheiden? Hierzu tun sich noch zahlreiche Fragen auf. Und die rechtliche Zuständigkeit ist in Österreich noch immer nicht vollends geklärt: Wie lange darf die Flugpolizei (respektive die Cobra als ausführendes Organ) intervenieren, ab wann darf/muss das Bundesheer einschreiten? Auf dem Papier erscheinen diese Abgrenzungen vor allem für Juristen sehr einfach zu sein, doch in der Praxis, wenn es um Höhenbewertungen und Zuständigkeiten geht, muss die Festlegung, ob das attackierte Ziel in den Schutzbereich des Militärs fällt, einsatzkonform oft in Windeseile getroffen werden.
Außerdem sind massive Zweifel angebracht, dass die notwendigen Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden immer zeitgerecht erfolgen können. Klar, man kann einen Flughafenbereich grundsätzlich abriegeln, den Luftraum eines Open-Air-Konzerts ebenso wie den einer politischen Veranstaltung absichern. Aber aktuelle Vorfälle wie die Drohnenattacke auf den venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro haben gezeigt, wie eng hier die zentripetalen Sicherheitslinien beieinanderliegen. Es muss ein filigranes Sicherheitsnetz gesponnen werden, das einerseits eine maximale Bewegungs-und Handlungsfreiheit für die zu schützenden Akteure gewährleistet und andererseits geeignet ist, einen potentiellen Drohnenangriff noch außerhalb der engen, internen Sicherheitszone abzuwehren.
Mit Blick auf die Terrorismusabwehr tun sich hierbei natürlich leider ganz neue Facetten auf. Das Spektrum potentieller Anschlagsszenarien ist schier unbegrenzt. Drohnen könnten als Kamikazeflieger zweckentfremdet werden und bewusst auf Menschen gesteuert werden. Sie können mit Sprengmitteln beladen oder als Träger chemischer Kampfstoffe fungieren, die am Zielort freigesetzt werden. Derartige Szenarien halten Sie für unrealistisch? Weit gefehlt, denn all dies ist bereits, in größerem oder kleinem Umfang so geschehen oder konnte erfolgreich vereitelt werden.
Es wird in Österreich bereits einiges unternommen, um der missbräuchlichen Verwendung dieser Technologie adäquat zu begegnen. Dennoch liegt das Schwergewicht der Sicherheitsbehörden bei konventionellen Szenarien. Vielleicht sollte man das Augenmerk der Sicherheitsbehörden mehr auf diese neue Bedrohung von oben lenken, als sich überdimensional auf bauliche Schutzmaßnahmen wie Poller zu konzentrieren. Terroristen sind nämlich anarchisch lernfähig und antizipieren Gegenmaßnahmen der Sicherheitsbehörden.
Dass es in naher Zukunft immer häufiger zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit Drohnen, vielleicht sogar zu adaptierten Terroranschlägen kommen wird, steht außer Zweifel. Die Gretchenfrage ist nur: wann?