Terrorabwehr: Österreich hat Nachholbedarf 33 Terrorurteile gab es im vergangenen Jahr in Österreich. Ein Experte verweist auf eine aktive islamistische Szene.
Für den Terrorismusexperten Nicolas Stockhammer, der an der Uni Wien forscht, sind die Zahlen besorgniserregend. "Österreich liegt im Vergleich mit anderen europäischen Ländern im Spitzenfeld", sagt er. Seit 2015 stiegen die Zahlen an. Stockhammer ist überzeugt, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren und Verurteilungen auch in den kommenden Jahren ansteigen wird. Ein Grund für diese Entwicklung: Österreich habe eine große, aktive islamistische Szene. Dazu kämen dann die IS-Kämpfer, die nach Österreich zurückkehrten, und das nicht erst seit der Niederlage des IS in Syrien. "Bereits seit 2016 kommen IS-Anhänger zurück nach Europa, und dies durchaus geplant", sagt Stockhammer. Nicht unterschätzen dürfe man auch den Trend, dass viele Kriminelle, die Muslime seien, im Gefängnis radikalisiert würden.
Besonders mit Tschetschenen gebe es Probleme. "Etwa 80 Prozent der österreichischen IS-Kämpfer sind tschetschenischen Ursprungs", sagt er. Und: Wien und Graz seien die österreichischen Städte, in denen es das größte Potenzial an Islamisten gebe. "Wien, weil es die größte Stadt Österreichs mit zahlreichen internationalen Organisationen ist, und Graz, weil es das Einfallstor zum Balkan ist", erklärt der Terrorismusexperte. Österreichs Behörden haben jedenfalls Nachholbedarf bei der Terrorismusbekämpfung. "Sie sind personell unterbesetzt, sagt Stockhammer. Dazu sei das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nach seinen Affären angeschlagen und es sei die Frage, ob die Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten wirklich klaglos funktionierten. Außerdem müsse sicher auch mehr Geld für die Deradikalisierung aufgewendet werden. Aber nicht nur die Islamisten, sondern auch die Rechtsradikalen seien eine Bedrohung für Österreichs Sicherheit. Auch hier gehen die Zahlen leicht nach oben. Die Strafen für terroristische Aktivitäten wurden in den vergangenen Jahren in Österreich verschärft. Für Anführer einer terroristischen Vereinigung sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren vor, für Mitglieder ein bis zehn Jahre. Die Strafen für andere Taten sind darin natürlich nicht enthalten. Im nun veröffentlichten Sicherheitsbericht wird die Lage so dargestellt: "Für Österreich geht die größte Bedrohung unverändert vom islamistischen Extremismus und Terrorismus aus." Zwar seien bisher weniger Dschihad-Reisende (Foreign Terrorist Fighters) nach Österreich zurückgekehrt als erwartet, dennoch stellt diese Gruppe ein "erhebliches, schwer kalkulierbares Gefahrenpotenzial für die innere Sicherheit dar". Und weiter: "Aber auch von radikalisierten Kleinstgruppen oder Einzeltätern aus dem sogenannten Home-grown-Extremismus geht ein beträchtliches Bedrohungspotenzial aus."
Quelle: https://www.sn.at/panorama/oesterreich/terrorabwehr-oesterreich-hat-nachholbedarf-80895463 © Salzburger Nachrichten VerlagsgesmbH & Co KG 2020